Haus der Weimarer Republik

Die Demokratie ist keine Fassade

Das Haus der Weimarer Republik soll ein Knotenpunkt werden, an dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich kreuzen, um das historische Geschehen zu erforschen, über die gegenwärtige Tragfähigkeit von Demokratie nachzudenken und neue Visionen zu entwickeln.

Eine neue Nutzung lässt sich nicht von einer neuen Gestaltung trennen, die so innovativ ist, dass das Haus nicht nur in seiner Authentizität sondern auch in seiner Aktualität ausdrückt. Die Architektur zielt auf eine neue Artikulation des Zeughofquartiers mit einem neuen gestalterischen und funktionalen Ansatz, der dreierlei Bezug auf die Geschichte der Demokratieentwicklung nimmt.

Gegenwart

Das ehemalige Kulissenhaus, danach als Kunsthalle verwendet, behält im HdWR die Funktion eines Ausstellungsraums und wird denkmalgerecht saniert, um es auf den Stand von 1954 zurückzubringen. Dieses Gebäude dient als zentraler Eingang, durch den der gesamte Gebäudekomplex erschlossen wird. Das Kulissenhaus ist als ein gegenwärtiger Interaktionsraum zu verstehen, in dem die Besucher sich interaktiv und multimedial mit der Geschichte der Weimarer Republik auseinandersetzen können. Für die multimediale Interaktion mit der Geschichte der Weimarer Republik können neue Datenvisualisierungs-Techniken verwendet werden, die zur Vernetzung von Wissensinhalten dienen.  Ein integriertes Cafe öffnet sich zur neu angelegten städtebaulichen Achse zwischen dem Künstlerhaus und dem Haus der Weimarer Republik. Diese Achse stellt eine visuelle Beziehung zwischen dem Theaterplatz und dem Dorndorfbrunnen her. An die Achse angrenzend, gefasst durch die neue Gebäudeformation des Alt- und Neubaues, entsteht ein Platz, der durch das angrenzende Cafe zum Verweilen einlädt. Dieser Platz erweitert sich über die Achse hinweg zum Vorplatz des Künstlerhauses und bildet somit ein übergreifendes kulturelles Forum.

Vergangenheit

Das Zeughaus – mit einem eigenem Eingang auf den Platz der Demokratie – ist die Bibliothek, die als Ort des Wissens über die Weimarer Republik zu verstehen ist. Der Raum soll einen ruhigen und abgeschiedenen Ort bilden, in dem Forscher sich der Geschichte der Weimarer Republik widmen und den Bestand der Bibliothek nutzen können. Das Zeughaus dient als Sockel der obereren Struktur, die als Forschungszentrum für die Zukunft der Demokratie gedacht ist.

Zukunft

Das Forschungszentrum zeigt sich leicht und transparent: seine Außenwände sind aus transluzentem, perforierten  Alabaster gestaltet, der innere Kern besteht aus Glas und ein freier Blick auf die Stadt ist möglich. Das Forschungszentrum hängt wie eine leichte Wolke auf dünnen Edelstahlstützen, es ist jedoch auch Symbol einer Verletzung, welche die Zukunft vom vergangenen Geschehen mit sich trägt. Der innere Kern des Forschungszentrums besteht aus mehreren gewölbten Schalen, die dem Raum eine dynamische Textur verleihen. Dabei soll eine innovative Karbon-Leichtbautechnik zur Anwendung kommen. Das Forschungszentrum zeigt mit seiner architektonischen  Vision die zukunftsoffene Entwicklung des Vereins und der Stadt Weimar.

Die Gestaltung des HdWR ist mit der stadtplanerische Entwicklung verbunden, die den Platz vor dem Zeughaus neu artikuliert. Dieser Platz, auch als „Platz der Demokratie“ neu benannt, wird mit dem Theaterplatz durch den Weg der Weimarer Republik verbunden und wird von den neu geplanten Gebäuden gefasst.

Das Haus der Weimarer Republik soll als Dispositiv der Reflexion über die gegenwärtige Bedeutung von Demokratie dienen, das Weimar weltweit ins Zentrum der internationalen Debatte bringt.

Architektur

Die Erschließung des Gebäudekomplexes erfolgt über zwei optionale Zugänge. Zum einen über den Haupteingang des Kulissenhauses und zum anderen durch den hinteren, angegliederten Teil der Bibliothek im Zeughaus. Dadurch wird es möglich, zeitgleich Bildungsveranstaltungen durchzuführen führen und das Museum zu öffnen.  Durch beide, Museum und Bibliothek, kann die vertikale Erschließungsachse aus Treppe und Aufzug erreicht werden. Sie verbindet Unter-, Erd-, offenes Zwischen- und Obergeschoss miteinander. Sie stellt auch visuell und baukonstruktiv ein wichtiges Element des Gesamtgebäudes dar. Das Obergeschoss „schwebt“ getragen von Stützen über dem Altbau. Zum Teil stehen die Stützen auf dem neu ausgebildeten Sockel über den Resten der Fassade des alten Zeughauses. Das Obergeschoss leitet sich in seiner offenen netzartigen Struktur aus dem Gedanken der Verknüpfung von Akteuren und Ereignissen der Geschichte der Weimarer Republik ab. Diese Struktur der Vernetzung findet sich auch formal und inhaltlich in der Nutzung dieses Geschosses für Forschung und Wissenstransfer zum Thema Weimarer Republik sowie Geschichte und Zukunft der Demokratie wieder.

Baukonstruktion

Das Haus der Weimarer Republik gliedert sich in drei Teile: Kulissenhaus, Zeughaus und Neubau.

Kulissenhaus

Das Kulissenhaus wird denkmalgerecht saniert. Im Nordflügel wird ein Cafe eingebaut. Zur Öffnung des Cafes zum angrenzenden neu gestalteten Platz und der neuen Weg-Achse werden drei zusätzliche Fenstertüren entsprechend der Gliederung der Fassade eingefügt.

Zeughaus

Die Fassaden des Zeughauses bleiben erhalten und werden denkmalgerecht saniert. Die Tragkonstruktion der Umfassungsmauern wird erneuert. Es werden doppelgeschossige Betonmauern aus Infraleichtbeton erstellt. Sie bilden den Sockel des darüber befindlichen „schwebenden“ Neubaus.

Neubau

Der Neubau wird von betonverfüllten schlanken spindelförmigen Edelstahlstützen getragen. Die Stützen sind zum Teil gegründet und stützen sich zum Teil auf dem Sockel des Zeughauses ab. Ausgesteift wird der Neubau durch das durchlaufende, massiv in Stahlbeton ausgeführte Treppenhaus. Das Treppenhaus ist mit der Sockelkonstruktion des Zeughauses verbunden.

Das Deckentragsystem besteht aus einzelnen Felder mit Carbon vorgespannten Fertigbetonplatten, bei denen zusätzlich Hohlkörper zur Gewichtsersparnis integriert werden. Carbonbewehrung eignet sich aufgrund der Beständigkeit der Kohlenstofffasern gegenüber Säuren und Basen sowie der hohen Bruchspannung von über 3000 N/mm2 besonders als Vorspannmaterial in Betonbauteilen. Außerdem wird durch die Form- und Topologieoptimierung des Bauteiles, ein hoher Ausnutzungsgrad des innovativen Materials Carbonbeton ermöglicht. Dies führt dann zu schlankeren und dadurch wirtschaftlicheren Fertigbauteilen, die elegant, dauerhaft und effizient sind.

Die umlaufende Fassade ist eine Stahl-Glas-Konstruktion mit vorgehangenen Alabasterplatten mit kreisförmigen Perforierungen.

Entwurf: Christophe Barlieb

Redaktion: Dr. Lidia Gasperoni

Baukosten: Michael Seitz

Tragwerk: Juan-Pablo Osman Letelier (TU Berlin, Prof. Mike Schlaich)

3D Druck: WERK 5